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Das Forschungsobjekt von Gaia: Die Milchstrasse
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Wissenschaftliche Ziele

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ESA / Space in Member States / Germany

Gaia soll ein Prozent unserer Heimatgalaxis – das wären etwa eine Milliarde Sterne – mit bislang unerreichter Genauigkeit kartografisch erfassen und die präziseste dreidimensionale Karte unserer Galaxis erstellen. Hierbei geht es um die Vervollkommnung bestehender dreidimensionaler Modelle der Milchstraße und ihrer näheren Umgebung. Besonders interessiert die Astronomen die räumliche Verteilung der Sterne in den Spiralarmen und deren Geschwindigkeiten.

Zu jedem Stern gilt es einen möglichst umfangreichen Satz von Kenngrößen zu sammeln. Gefragt sind Positionen, Entfernungen, Eigenbewegungen, Helligkeit, Farben und Temperaturen. Des Weiteren soll Gaia von mehr als 100 Millionen Sternen ihre individuellen Strahlungsspektren sowie Radialgeschwindigkeiten ermitteln. Letztere geben Auskunft darüber, ob sich das Objekt auf den Beobachter zu oder von ihm wegbewegt. Die erhaltenen Messdaten geben Auskunft, wo, wann und wie die Sterne entstanden sind. Damit lassen sich die räumliche Struktur sowie die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unserer Milchstraße aufklären.

Unser Bild vom Aufbau des Milchstraßensystems ist unvollständig. Die Astronomen gehen von einer relativ symmetrischen Scheibe mit zwei Hauptarmen und einigen kleineren Zwischenarmen aus. Da Teile unserer Heimatgalaxis noch unbekannt sind, sind sich die Astronomen bezüglich der Anzahl Spiralarme uneins. Existieren zwei, drei, vier oder gar mehr Arme? Vor allem: Wie entstanden sie?

Noch immer diskutieren die Astronomen über elementare Eigenschaften, wie den Entfernungen innerhalb der Milchstraße. So wurde die Entfernung des Perseus-Spiralarms mehrfach innerhalb der letzten sieben Jahre von ursprünglich 13 000 Lichtjahren auf aktuell 6500 Lichtjahre korrigiert. Mit den präzisen Entfernungsdaten von Gaia könnten derartige Streifragen bald geklärt sein.

Das von der Mehrheit der Wissenschaftler favorisierte Modell zur Genese unserer Milchstraße soll von Gaia geprüft werden: Entstand sie tatsächlich aus mehreren eingefangenen Zwerggalaxien und ist demzufolge das Produkt eines Verschmelzungsprozesses? Sollte diese Annahme zutreffen: Wann wurde welche Zwerggalaxie von der Milchstraße einverleibt? Existieren noch Materieströme als Relikte der Verschmelzungsprozesse?

Die Milchstraße ist ein sehr dynamisches System von Massen, Kräften und Bewegungen. „Um sie wirklich zu verstehen, müssen wir nicht nur die Lage der Objekte im Raum kennen, sondern auch ihre Bewegungen“, erläutert Gaia-Projektleiter Ulrich Bastian. „Das bedeutet, dass wir für möglichst viele einzelne Objekte der Milchstraße außer ihren drei räumlichen Koordinaten zusätzlich noch drei Geschwindigkeitskoordinaten messen müssen.“ Wohin bewegen sich die Sterne und wie schnell?

Last, but not least: Gaia soll jene Teile der Milchstraße in Augenschein nehmen, die sein Vorgänger Hipparcos nicht beobachten konnte. Hierzu gehört das Zentrum unserer Galaxie.

Selbst dann, wenn Gaia alle Aufgaben innerhalb der fünfjährigen Beobachtungsphase erfolgreich absolviert, wäre erst ein Prozent der Milchstraße vermessen. Gigantische 99 Prozent bleiben den Nachfolgern von Gaia vorbehalten. Aber dieses eine Prozent stellt eine repräsentative Volkszählung unter den Sternen dar und reicht für einen weiteren Quantensprung in der Himmelskartographie.

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